Erzwungene Wiederholungen – Die unsichtbare Kraft in Dir

Erzwungene Wiederholungen dienen dem eigensinnigen und Körperkult liebenden Völkchen der Bodybuilder seit jeher als gängiges Trainingsprinzip, um jede Trainingseinheit mit einer außergewöhnlich hohen Reizintensität für den Muskelaufbau zu versehen. Im Verlauf der Trainerkarriere von Bodybuilding-Urgestein Joe Weider, erkannte der selbige dass die Trainingsmethode der „Forced Reps“ eine hervorragende Möglichkeit sei, seine Muskulatur über den Punkt des momentanen Muskelversagens (PmM) zu stimulieren.

Getrieben von der Recherche nach dem ausgefeiltesten Trainingssystems, dem perfektesten Trainingsplan und der idealsten Ernährungsstrategie, vergessen viele Trainierende die elementarsten und damit effektivsten Trainingsprinzipien für den langfristigen Muskelaufbau.
Das wichtigste im Bodybuilding & Fitness ist die Geisteshaltung – die Komposition aus Willenskraft, die permanente Bereitschaft einen Paradigmenwechsel durchzuführen, gepaart mit einem ausgeprägten Hang zur konstanten Selbstzerstörung, sind „eiserne Bestandteile“ der vierundzwanzig Trainingsprinzipien nach Joe Weider[1][2].

Erzwungene Wiederholungen  – Informationen und Hintergründe

Das sogenannte High Intensity Training – zu dem unter anderen auch die Trainingsmethode der „Forced Reps“ (Erzwungene Wiederholungen) gezählt wird – wurde durch Arthur Jones, dem US-Amerikanischen Pionier im Bereich der Trainingsmaschinen (Nautilus) im Rahmen seines Im- und Export Unternehmens von afrikanischen Großwildtieren, erstmals beobachtet[3][4].

Arthur Jones verfolgte das zur damaligen Zeit noch als „unwissenschaftlich“ geltendes Grundprinzip der kurzen und intensiven Trainingseinheiten für die Maximierung des Muskelaufbaus in Folge einer erhöhten Reizintensität[4].
Durch die Hilfe der Trainingswissenschaft (Teildisziplin der Sportwissenschaft) konnten vier Fundamente für die Auslastungsintensität ausgemacht werden[5][6].

Reizintensität – Die vier Phasen der Ausbelastungsintensität

Prinzipiell umreißt die Ausbelastungsintensität das Stadium in welchem keine weitere Wiederholung bei korrekter Trainingstechnik ausgeführt werden kann. Im Rahmen der Sportwissenschaftler ist man geteilter Meinung, welche der vier Phasen der Ausbelastungsintensität der Muskulatur den größten oder vermeintlich besseren Wachstumsreiz verleihen.
Als Fundament für die grobe Einordnung der unterschiedlichen Reizintensitäten und damit auch die Einteilung des optimalen Trainingsgewichts, dient die hier vorgestellte Intensitätspyramide, die euch den Sinn der erzwungenen Wiederholungen darlegen wird.

  • Nicht-Wiederholungsmaximum (nWM)  – non Repetition Maximum
    Die Reizintensität auf die zu trainierende Muskelpartie ist für den Trainierenden, beim Nicht-Wiederholungsmaximum dürftig, weil bereits vor dem Erreichen des Muskelversagens der entsprechende Satz beendet wird[5][6].
    Diese Trainingsintensität kommt unter anderen dann zur Anwendung, wenn Wiedereinsteiger den erneuten Zugang zum Muskelaufbau– und/oder Kraftausdauertraining finden.
  • Wiederholungsmaximum (WM)  – Repetition Maximum
    Immer dann wenn der trainierende unter der Belastung durch sein Trainingsgewicht die volle Anzahl an Wiederholungen in einer korrekten Trainingstechnik ausführt, trainiert dieser am Wiederholungsmaximum.
    Wie schon erwähnt, wird hier lediglich bis zur letztmöglichen, allein abzuleistenden Wiederholung trainiert, ohne dabei das „volle Potenzial“ der Reizintensität für den Muskelaufbau auszureizen.
  • Punkt des momentanen Muskelversagens (PmM) – Point of Momentary Muscular Failure
    Jeder Kraftsportler kennt den Punkt des momentanen Muskelversagens genau, dieser ist immer dann erreicht, wenn die Trainingstechnik nicht mehr korrekt ausgeführt werden kann und/oder das Trainingsgewicht um keine weitere vollständige Wiederholung in den beiden Bewegungsamplituden (exzentrisch und konzentrisch) bewegt werden kann[8][9].
    Solltest Du beispielsweise beim Bankdrücken zwölf Wiederholungen mit deinem Trainingsgewicht anpeilen aber lediglich elf unter den beschriebenen Kriterien ableisten können so entsprechen diese elf Wiederholungen deinem Wiederholungsmaximum[6].
  • Punkt des momentanen Muskelversagens plus Intensitätstechnik (PmM+)
    Laut der Begrifflichkeit kommt es immer dann zu einer Intensivwiederholung (Erzwungene Wiederholung), wenn der Punkt des momentanen Muskelversagens, durch die Unterstützung eines Trainingspartners überwunden werden kann und anschließend weitere Wiederholungen durch Hilfe abgeleistet werden. Dieses Trainingsprinzip ermöglicht es den Trainierenden auch wenn selbst nicht mehr die volle Leistung der Muskulatur abgefordert werden kann weitere Wiederholungen zu absolvieren, dies brennt die Muskulatur aus und sorgt für anschließenden Muskelkater.
    Der Körper ist ein komplexes System, welches im Verbund mit einer erhöhten Trainingsintensität – erzwungenen Wiederholungen immer dann entsprechend  zur Maximierung von Muskelmasse umsetzen kann, wenn dem Trainierenden durch einen Trainingspartner genau so viel geholfen wird das dieser weitere schmerzhafte Wiederholungen auf der Belastungsstufe des PmM+ besteht.

Erzwungene Wiederholungen – Vor- und Nachteile einer Trainingsmethode

Trainingspartner ist nicht gleich Trainingspartner – einen guten „Spotter“ erkennt man deutlich daran das dieser seinen Trainingspartner zwar die notwendige Unterstützung bei der Bewältigung des Trainingsgewichts zukommen lässt und auf der anderen Seite immer darauf achtet das diesem nicht zu viel geholfen wird um die Hypertrophie der Muskulatur auszureizen[10].
Zwischen zwei Trainingspartnern sollte daher beim Einsatz von Erzwungenen Wiederholungen ein inständiges Vertrauensverhältnis vorherrschen.

In Folge des momentanen Muskelversagens und der anschließenden Anwendung einer Intensitätstechnik (Erzwungene Wiederholungen) sollten zusätzlich zwischen zwei und vier Wiederholungen angesetzt werden.
Je nach Trainingsübung ist die zu Unterstützende Bewegungsamplitude entweder in der Exzentrischen (absenkende) oder Konzentrischen Bewegung (anhebende) angesiedelt[9].

Erzwungene Wiederholungen und Ihre Vorteile

  • Hinsichtlich einer gesteigerten Trainingsintensität – die unmittelbar durch den Trainingspartner gesteuert wird, kann ein Training über den Punkt des momentanen Muskelversagens (PmM+) gewährleistet werden
  • Durch das Training mit erzwungenen Wiederholungen ist es möglich die Laktatakkumulation zu steigern, dieses kann zu entsprechend mehr Mikrotraumata der Muskulatur führen, wenn diese über das Muskelbrennen hinaus kontrahiert wird
  • Bei vielen Trainingsübungen bietet die Absicherung durch einen Trainingspartner den Vorteil, dass bei sinkender Kraft dennoch eine gute Trainingstechnik gewährleistet werden kann
  • Die gesteigerte Muskelarbeit minimiert die Glucose- und Glykogenspeicher, diese werden in das pH-senkende Abfallprodukt Milchsäure abgebaut[11]

Erzwungene Wiederholungen und Ihre Nachteile

  • Im Rahmen der Unterstützung durch den Trainingspartner ergibt sich ein Kontrollverlust, dieser steigt mit schwindender Kraft bis zum Stadium dass alleine der Trainingspartner die Intensität der erzwungenen Wiederholungen kontrolliert
  • Der ideale Trainingspartner sollte bei erzwungenen Wiederholungen sehr darauf achten auch seine Kraft nicht selbst zu überschätzen, dies kann zu Verletzungen führen
  • Bereits ohne erzwungene Wiederholungen erfordert es einem gefestigten Vertrauensverhältnis zwischen Trainierenden und Trainingspartnern um ein Höchstmaß an Reizintensität zu erzeugen

Erzwungene Wiederholungen – Der Trainingsplan für Bi- und Trizeps
Erwzungene Wiederholungen - Trainingsübungen Trainingsplan
Anmerkung:

Erzwungene Wiederholungen, welche am Seilzug für den Trizeps ausgeführt werden sollten lediglich immer dahingehend Unterstützt werden dass der Seilzug selbst leicht nach unten gedrückt wird und nicht die Zughilfe, da sonst die Muskelspannung beim Trainingspartner nicht gehalten werden kann.

Erzwungene Wiederholungen – Eine Variante für Kraftsportler ohne Trainingspartner

Das Intensitätsäquivalent zu erzwungenen Wiederholungen nennt sich „negative Wiederholungen“ diese können auch ohne die Hilfe eines Trainingspartners durchgeführt werden und eignen sich daher ebenfalls als Intensitätstechnik für den Muskelaufbau.
Im Kraftsport unterscheiden wir drei differenzierbare Kontraktionsformen.

  • Die konzentrische Muskelarbeit – wird auch als überwindende Muskelarbeit bezeichnet, weil sich eine Veränderung der Intramuskulären Spannung in Folge der Bewegung der Muskulatur ergibt (die Muskulatur verkürzt sich).
    Als Musterbeispiel kann man hier die Trainingsübung der Hammer Curls nennen – durch das Bewegen des Trainingsgewichts vom Ursprung zum Spannungsmaximum wird der Bizeps Brachiales gestaucht und auf der Absenkenden Bewegung wieder gestreckt[9].
  • Die isometrische Muskelarbeit – wird auch als haltende Muskelarbeit bezeichnet, weil hier lediglich eine minimale Verkürzung der Muskulatur bei zeitgleicher Muskelspannung eintritt.
    Als Musterbeispiel kann man hier die Trainingsübung der Langhantel Curls nennen – durch das Halten des Trainingsgewichts  am höchsten Punkt der Bewegung (Spannungsmaximum), leistet die Muskulatur die sogenannte statische Muskelarbeit und verkürzt dabei nur minimal[9].
  • Die exzentrische Muskelarbeit – wird auch als nachgebende Muskelarbeit bezeichnet, weil die Muskulatur hier aus einer konzentrischen Bewegung herausgestreckt und damit Verlängert bzw. gedehnt wird. Als Musterbeispiel kann man hier die Trainingsübung der Klimmzüge nennen – wenn man sich auf der Spitzenkontraktion herablässt, bremst der Bizeps, welcher Kontrahiert, die Bewegung ab.

Erzwungene Wiederholungen – Anwendungsbeispiel ohne Trainingspartner

Solltest Du alleine Trainieren, also keinen Trainingspartner haben der dich beim Training über das Muskelversagen (PmM+) hinaus unterstützt, so kannst Du mit den folgenden Trainingsübungen dennoch weitere Reizintensive Wiederholungen erzielen.

  • Klimmzüge
  • Dips am Holm (für Brust und Trizeps)
  • Langhantelcurls
  • Hammer Curls
  • Kurzhantel Bankdrücken
  • Armbeuger am Seil
  • Handgelenkbeuger
  • Armbeuger mit KH (Untergriff)
  • Sit-ups
  • Bauchpressen am Seil
  • Beinheben am Holm

Erzwungene Wiederholungen – Auswirkungen auf die Ausschüttung von Wachstumshormonen

Erzwungene Wiederholungen sind ein legitimes Mittel zur Maximierung der Reizintensität in Trainingseinheiten – zu beachten ist allerdings, dass erzwungene Wiederholungen ohne Trainingspartner nur bedingt bei der konzentrischen Muskelarbeit einiger Trainingsübungen anwendbar sind.

Im Rahmen einer wissenschaftlichen Untersuchung wurde getestet ob es beim Training über das momentane Muskelversagen (PmM) hinaus zu einer hormonellen Vorteilsnahme kommt, wenn beispielsweise durch die Anwendung einer Intensitätstechnik die Muskulatur über das Muskelversagen hinaus (PmM+) kontrahiert wird[12].
Die finnischen Forscher dokumentierten das Beintraining-Training von sechszehn Kraftsportlern. Dieses bestand aus vier Sätzen Beinpressen, zwei Sätzen Kniebeugen und zwei Sätzen Beinstrecken mit jeweils  zwölf Wiederholungen bis zum momentanen Muskelversagen und in Folge erzwungener Wiederholungen aus weiteren Wiederholungen[13].

Nach Auswertung der Belastungsprotokolle wurde den Wissenschaftlern deutlich dass eine erhöhte Menge an freiem Testosteron und Cortisol im Blut-Serum festzustellen war. Auch wenn eine erhöhte Konzentration von freien Testosteron im Blut im Rahmen der einen oder anderen erzwungene Wiederholung beim Beintraining nicht überraschend ist – wir erinnern uns die Beinmuskulatur als eine der größten Muskelgruppen stimuliert mit Ihrem Wachstums auch das Wachstum anderer Muskelgruppen – sind die Testergebnisse unter anderem auch mit einer erhöhten Regenerationszeit zwischen zwei und vier Minuten pro Satz zu erklären[12][13].

Schlussendlich solltest Du für dich selbst in Erfahrung bringen ob du für erzwungene Wiederholungen bereit bist und/oder ob dein Trainingspartner dir beim Training über das momentane Muskelversagen (PmM+) hinaus behilflich sein kann.

Das Geheimnis für den effektiven Muskelaufbau

Hand aufs Herz:
Eigentlich wissen wir doch alle, was wir tun müssen, um Muskeln aufzubauen und den Körper zu erlangen, den wir uns erträumen.
Hartes und beständiges Training – ohne kann und wird es niemals gehen. Damian Minichowski [7]

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In diesem Sinne:
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© Copyright by Fit mit Plan – Andreas Nino Galle & Andreas Bosse

Quellenangaben:

  • Joe Weider [1]
  • Joe Weider [2]
  • Arthur Jones (Erfinder) [3]
  • In Loving Memory of Arthur Allen Jones [4]
  • Krafttraining [5]
  • Die Wahl der Ausbelastungsintensität [6]
  • Der HFT-Guide: Muskelaufbau und Fettabbau in Rekordzeit [7]
  • Kraftarten – Erscheinungsformen der Kraft [8]
  • Arbeitsweisen der Muskulatur – Kontraktionsformen [9]
  • Forced Repetitions [10]
  • Laktatzidose [11]
  • Acute hormonal and neuromuscular responses and recovery to forced vs maximum repetitions multiple resistance exercises [12]
  • Acute Hormonal and Neuromuscular Responses and Recovery to Forced vs. Maximum Repetitions Multiple Resistance Exercises [13]
Fotos im Artikel “Erzwungene Wiederholungen – Die unsichtbare Kraft in Dir”: (C) fotolia, Valeriy Lebedev & (C) Fit mit Plan, Andreas Galle

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