Jedes Jahr fasten circa eine Milliarde gläubige Muslime im Zeitraum des Ramadans, dem neunten Monat des islamischen Kalenders, denn im Koran steht geschrieben: „Ihr, die ihr glaubt, euch ist das Fasten vorgeschrieben wie es denen vorgeschrieben war, die vor euch waren, damit ihr vielleicht gottesfürchtig werdet.” (2:183)[1].
Diese Fastenperiode dauert einen kompletten Monat lang, verschiebt sich von Jahr zu Jahr 10 bzw. 11 Tage nach vorne und beinhaltet äußerst strenge Regeln, die alle gläubigen Muslime betreffen, ausgenommen sind gesundheitlich eingeschränkte Personen und Kinder vor der Pubertät.
Das wiederum bedeutet für die muslimischen Freunde des Eisensports, dass sie versuchen müssen, Training, Ernährung und Fastenzeit (Ramadan) in Einklang zu bringen.
In diesem Artikel wird versucht, die Auswirkungen des Ramadans auf den Muskelaufbau studien-/ beziehungsweise wissenschaftsorientiert zu erörtern und gleichzeitig einen möglichen Weg aufzuzeigen, den der Kraftsportler im Ramadan beschreiten kann, um sein Krafttraining und den Muskelaufbau trotz der zunächst widrig wirkenden Umständen zu gestalten.
Dazu betrachten wir zunächst die Rahmenbedingungen, welche im Ramadan Gültigkeit besitzen.
Die Regeln im Ramadan
Erlaubt sind sowohl Nahrungs- als auch Flüssigkeitsaufnahme nur zwischen Sonnenuntergang und Sonnenaufgang. Je nach Jahreszeit, in welcher der Ramadan stattfindet kann dies demnach länger oder kürzer sein. In diesem Zeitraum darf theoretisch gegessen werden, was man will, außer natürlich dem im Islam nicht verzehrten Schwein.
Während dieses Zeitraums gehen die meisten Muslime jedoch ganz normal ihren Tätigkeiten nach, was insbesondere die mangelnde Flüssigkeitsaufnahme deutlich erschwert.
Wenn man nun auch noch zusätzlich (Kraft-)Sport betreibt, kann dies durchaus äußerst anstrengend sein. In Zahlen ausgedrückt bedeutet dies somit meistens 16-18 Stunden Fasten mit einem anschließenden Zeitraum von 6-8 Stunden, in welchem gegessen und getrunken werden darf.
Exkurs: Intermittent Fasting vs. Ramadan
Diese Zahlen dürften einigen bekannt vorkommen, da ein berühmtes Ernährungskonzept namens Intermittent Fasting (=“Intermittierendes Fasten“) existiert, welches auch als 16/8-Diät oder Leangains-Konzept bekannt ist.
Dieses Konzept unterscheidet sich vom Fasten im Ramadan lediglich dadurch, dass während der 16-stündigen Fastenperiode Wasser und ungesüßter Tee getrunken werden darf und die 16 Stunden Fasten unabhängig von der Tageszeit gewählt werden dürfen und somit alltagskompatibler gestaltet werden können, sodass beispielsweise von 9 Uhr vormittags bis 17 Uhr nachmittags gegessen werden darf, was einige als deutlich angenehmer empfinden.
Außerdem findet während der Fastenperiode meistens auch der Schlaf statt, was beim Ramadan genau umgekehrt der Fall ist.
Dadurch ist das intermittierende Fasten allerdings nicht direkt mit dem Ramadan zu vergleichen, sowohl vom physiologischen als auch vom psychologischem Standpunkt aus.
Training im Ramadan
Sehen wir uns nun die Einschränkungen während des Ramadans und ihre Konsequenzen auf die Trainingsgestaltung an. Am sinnvollsten ist es wohl, abends kurz nach Sonnenuntergang zu trainieren, damit während des Trainings Flüssigkeitsaufnahme erfolgen kann und nach dem Training entweder in Form eines Post-Workout-Shakes oder richtigem Essen gleich Nährstoffe zugeführt werden können, um die im Laufe des Tages geleerten Speicher zu füllen und dem Muskel Ressourcen zum Muskelaufbau auch im Ramadan zu liefern.
Optimal wäre natürlich zusätzlich Flüssigkeitszufuhr und eine kleine Mahlzeit wie ein Whey-Shake und einer Banane circa 30 – 60 Minuten vor dem Training, um möglichst energievoll in die sportlichen Aktivitäten starten zu können, allerdings kann dies zeitlich oft schwierig werden, da mit Pre-Workout-Mahlzeit und Sport oft schon Uhrzeiten von 23 Uhr überschritten werden können, was sich negativ auf die weitere verbliebene Zeit zum Essen und Schlafen auswirken kann.
Das Training selbst kann nach Belieben gestaltet werden, da auch jeder das Fasten unterschiedlich gut verträgt und die Energieniveaus nach über 16 Stunden Nahrungs- und Flüssigkeitsentzug individuell ausfallen. Daher soll an dieser Stelle keine Empfehlung für ein bestimmtes Trainingsprogramm ausgesprochen werden.
Falls sich allerdings zum Beispiel Schwäche oder Müdigkeit stark einschränkend bemerkbar machen sollten ist natürlich von einem sehr intensiven Trainingsprogramm, das jeden Tag stattfindet eher abzuraten.
In einem solchen Fall würde ein Split-Trainingsplan Sinn machen, der genug Platz für Regenerationstage lässt.
Denn wer nicht ausreichend regeneriert gerät schnell in das Übertraining, welches am Rande erwähnt nicht wie oft behauptet ein Mythos ist, sondern ein wissenschaftlich bewiesener Zustand, welcher die Trainings- und Wachstumsleistung nachgewiesenermaßen schmälert[2].
Nicht zu empfehlen ist das Training am Morgen nach Sonnenaufgang, da danach keine Nährstoffe mehr zugeführt werden können, die essentiell sind, um den Trainingseffekt auch verwerten zu können. Dabei ist besonders die Gefahr einer Hypoglykämie zu bedenken, also ein Abfall des Blutzuckers, welcher sich in Schwindel, Übelkeit und Kreislaufproblemen bemerkbar macht.
Ernährung im Ramadan
Nicht nur im Ramadan sondern generell ist mittlerweile bekannt, dass der entscheidende Punkt im Bodybuilding weniger das Training selbst (ohne welches dennoch natürlich gar nicht erst die Reize zum Muskelwachstum gesetzt werden können), sondern vielmehr die Ernährung ist, die darüber entscheidet, ob unsere Muskeln die gesetzten Reize auch verwerten und somit wachsen können.
Zuerst wollen wir uns den elementarsten, jedoch oft nicht beachteten Baustein unserer Ernährung ansehen – das Wasser. Ohne Wasser gibt es kein Leben, unser Körper besteht zu etwa 70% daraus. Daher scheint der Gedanke, im Ramadan tagsüber, also etwa 16 Stunden lang nichts zu trinken, eher abschreckend und dem Muskelaufbau gegenüber nicht gerade förderlich.
In der Tat ist dies auch durch Studien bestätigt worden, welche signifikante hormonelle Unterschiede im hypohydrierten (zu wenig Wasser zugeführt) und euhydrierten (genug Wasser zugeführt) Zustand feststellten[3].
Das Cortisol (Stresshormon, welches den Muskelaufbau stagnieren lässt) war bei hypohydriertem Training zu hoch, das Testosteron konnte von den entsprechenden Rezeptoren nicht korrekt aufgenommen werden und Verschlechterung des Kohlenhydrat- und Lipidmetabolismus.
Der nächste Baustein unserer Ernährung, der besonders für Bodybuilder wichtig ist, ist Eiweiß.
Nach dem Wasser macht Eiweiß den größten Anteil in unseren Muskeln aus und ist der Stoff aus dem unsere Enzyme gemacht werden, die Werkzeuge des Körpers.
Eiweiße bestehen aus Aminosäuren, in welche das aufgenommene Eiweiß zerkleinert wird und welche in den Zellen in „Pools“ gespeichert werden.
Von dort aus werden sie bei Bedarf von der Zelle verwendet, um körpereigenes Eiweiß herzustellen. Dies geschieht zum Beispiel in den Z-Scheiben der Sarkomere, der kleinsten Einheiten unserer Muskeln, wenn diese bei Hypertrophietraining leicht einreißen und durch körpereigenes Protein repariert werden muss.
Dies erklärt, warum wir Eiweiß zum Muskelaufbau benötigen.
Wenn sich der Kraftsportler im Ramadan befindet, ist er gezwungen, seine Nährstoffe in einem sehr kurzem Zeitfenster aufzunehmen. Es kursiert der Mythos, dass der Körper allerdings nur eine begrenzte Menge Eiweiß auf einmal aufnehmen könne, demnach wäre das schnelle Zuführen allen Proteins für den Tag auf einmal widersinnig.
Dieser Mythos ist jedoch genau das – ein Mythos und somit falsch.
Wenn man bedenkt, dass der Nahrungsbrei im Schnitt etwa drei Tage im Magen-Darm-Trakt verweilt, ist genug Zeit, um sämtliches benötigtes Nahrungsprotein aufzunehmen, der Körper nimmt nicht sofort alles mit einem Mal auf. Also keine Sorge, was den Konsum von viel Eiweiß auf einmal angeht, der Körper holt sich, was er benötigt.
Das gleiche Prinzip, das für Eiweiß gilt, zählt ebenso für Kohlenhydrate und Fett.
Der Körper hat viel Zeit, um das Essen zu verdauen und füllt damit seine Speicher.
Die aufgenommenen Kohlenhydrate werden entweder direkt in Glucose zerlegt und direkt zur ATP-Generierung verwendet oder in Leber und Muskeln als Glykogen gespeichert, um dem Körper als Energiequelle zu dienen.
Fett wird ebenso entweder direkt zu Energie metabolisiert oder in Depots gespeichert, um ihm in Hungersituationen zur Verfügung zu stehen.
Als letzte Bausteine unserer Ernährung sind die Vitamine und Mineralstoffe zu nennen, welche ebenso in ausreichendem Maße zugeführt werden müssen, um optimale Körperfunktionen zu gewährleisten. Bei Vitaminen besteht normalerweise keine Mangelgefahr, wenn die Tageszufuhr erreicht wird, dem Körper ist es wie bei den anderen Nährstoffen egal, wie oft am Tag diese zugeführt werden.
Ein Mangel an Mineralstoffen ist vermutlich nur zu erwarten, falls der Sportler tagsüber in der Zeit ohne Wasserzufuhr sehr schwitzt, da durch den Schweiß Mineralstoffe ausgeschieden werden.
Dies kann sich dann in Symptomen wir Krämpfen, Kopfschmerzen und Unkonzentriertheit äußern.
Sollte allerdings keine große körperliche Aktivität tagsüber stattfinden sind diese Folgen nicht zu erwarten, da die Mineralstoffe sonst nur über den Urin ausgeschieden werden, was bei nicht vorhandener Wasserzufuhr lediglich in sehr geringen Mengen und selten geschieht.
Noch ein praktischer Tipp am Rande:
Wer in dem kurzen Zeitfenster, in welchem gegessen und getrunken werden darf seine benötigten Kalorien zuführen will, wird eventuell an die Grenzen seiner Magenkapazität stoßen.
Daher können sich hochkalorische Shakes für viele Athleten als praktische Maßnahme erweisen, egal ob diese in Form von gekauften Weight-Gainern oder selbst hergestellten, frischen Rezepten verzehrt werden. Denkbar wäre zum Beispiel ein Shake aus Haferflocken, Magerquark, Milch, Eiweißpulver und Früchten, welcher nach dem eigentlichen Essen getrunken wird.
Leitfaden für Bodybuilding im Ramadan auf einen Blick
- Training kurz nach Sonnenuntergang nach beliebigem System
- Wenn alle Nährstoffe zugeführt werden, reicht auch ein kurzes Zeitfenster
- Shakes können eine sinnvolle Ergänzung sein
Kurz gesagt:
Bodybuilding im Ramadan ist sicher nicht optimal, aber möglich.
Mit genügend Willen und Motivation, guter Vorbereitung und gutem Appetit muss der Fastenmonat keine große Einschränkung in Bezug auf den Muskelaufbau bedeuten.
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In diesem Sinne,
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Quellenangaben:
- Ramadan – 25 Fragen – Antworten [1]
- Training-overtraining. A prospective, experimental study with experienced middle- and long-distance runners [2]
- Effect of hydration state on resistance exercise-induced endocrime markers of anabolism, catabolism, and metabolism [3]